Journalistin

Hier finden Sie Textbeispiele zu verschiedenen Themenbereichen.

Interview

Was durch Glaubenskrisen trägt

In unsicheren Zeiten die Hoffnung nicht aufgeben? Am christlichen Glauben festhalten, auch wenn das angesichts von Gewalt und Leid in der Welt schwer fällt? Von Glaubenskrisen, wie sie jede und jeder von uns durchlebt, bleibt kaum jemand verschont, meint Prof. Dr. Margot Käßmann, Botschafterin der EKD für das Reformationsjubiläum 2017. Im Interview erklärt sie, was Halt gibt auf dem Lebensweg und warum Zweifel den Glauben neu beleben können.

Frage: Hand aufs Herz: Haben Sie als Pfarrerin und wissenschaftlich arbeitende Theologin hin und wieder selber mit Glaubenszweifeln zu kämpfen?

Margot Käßmann: Aber ja! Es gehört zu einem lebendigen Glauben dazu, Unsicherheiten und das Ringen um Antworten zuzulassen. Dies hat für mich etwas mit der Freiheit zu tun, die Gott allen Menschen schenkt. Und das ist mir wichtig, denn sonst wäre Glaube statisch, gefühllos, lebensfern. Ein Glaube, wie ich ihn verstehe, weicht dem Zweifel nicht aus. Aber er findet Halt in Gott und führt so zu einer Haltung.

 

Frage: Glaubenszweifel sind also normal?

Margot Käßmann: Ja, sie sind sogar fruchtbar für den Glauben. Nur Fundamentalismus verlangt einen Glauben, der keinesfalls hinterfragt werden darf.

Unser Glaube wird klarer, wenn wir Fragen zulassen und um Antworten ringen. In dem Moment, in dem ich an Gott zweifle, bin ich doch schon im Gespräch mit ihm.

 

Frage: Was kann helfen in Zeiten des Zweifelns?

Margot Käßmann: In solchen Zeiten kann es hilfreich sein, sich in die Tradition unseres Glaubens fallen zu lassen. Ein Lied zu singen, einen Gottesdienst zu besuchen und die Liturgie zu erleben, die vertrauten Texte zu hören. Kirche ist Gemeinschaft. Sie beheimatet uns durch die Generationen hindurch. Sie gibt uns Worte, die größer sind als wir selbst, auf die wir uns verlassen können, wenn wir selbst verstummen.

 

Frage: Warum ist es Ihrer Meinung nach oft so schwer zu glauben?

Margot Käßmann: Ich denke, Glauben ist zum einen schwer geworden in Westeuropa, weil er nicht mehr zum Alltag gehört. Früher war der Kirchgang eine Selbstverständlichkeit am Sonntagmorgen. Die Gemeinschaft gab sozialen Halt. Heute besteht eine merkwürdige Spannung zwischen der Sehnsucht und Zugehörigkeit einerseits und der Abwehr andererseits, sich einzulassen und zu binden. Das spüren nicht nur Kirchen, sondern auch Parteien, Gewerkschaften und Vereine. Hinzu kommt, dass Religion in der Familie immer seltener weitergegeben wird.

 

Frage: Die Zahl der Kirchenaustritte steigt von Jahr zu Jahr. Viele sind nicht mehr bereit, Kirchensteuer zu bezahlen. Was setzen sie dem entgegen?

Margot Käßmann: Menschen, die für ihre Kirchenmitgliedschaft nichts zahlen möchten, kann ich nur sagen, dass die evangelische Kirche alle ihre Haushaltspläne zur Einsicht offenlegt. Dort ist zu sehen, dass 80 Prozent der Einnahmen für Personal ausgegeben werden, also direkt für Seelsorge und Verkündigung. Zehn Prozent sind Denkmalpflege, der Rest Medien, Verwaltung und so weiter. Dazu kann die Kirche stehen, finde ich. Und das Steuersystem ist gerecht: Diejenigen, die viel verdienen, zahlen viel.

 

Frage: Nicht selten müssen Menschen sich heute rechtfertigen, dass sie noch zur Kirche gehen. Es heißt dann, beten könne man ja auch im Wald. Was haben sie dem entgegen zu setzen?

Margot Käßmann: Christlicher Glaube muss erlebt, erfahren und praktiziert werden. Er orientiert sich natürlich an der Bibel. Aber er ist auch spirituelle Erfahrung, Erleben von Gemeinschaft, das Gehaltensein in einer Tradition. Der Glaube ist für mich eine Lebenshaltung, für die ich mich entscheide. Ich wage zu glauben, dass es Gott gibt, und ich wage zu vertrauen.

 

Frage: In Ihrem Buch „Im Zweifel glauben“ ist unter anderen die Rede von einem  „Handgepäck des Glaubens“, das wir auf dem Lebensweg brauchen. Was verstehen Sie darunter?

Margot Käßmann: Zum Handgepäck auf dem Lebensweg gehören, finde ich, bewährte  Worte, auf die wir uns verlassen können, etwa das Vaterunser, das Apostolische Glaubensbekenntnis, Lieder und Psalmen. Einen Psalm zu beten, von dem ich weiß, dass er auch Menschen schon tausende von Jahren vor mir getröstet und im Glauben gestärkt hat – das hilft.

 

Frage: Zum Handgepäck zählen gewiss auch die Seligpreisungen, sozusagen als Grundgerüst unseres christlichen Glaubens. Oder?

Margot Käßmann: Unbedingt. Diese Worte Jesu, die nach den wissenschaftlichen Forschungen auf ihn selbst zurückgehen, haben nun schon durch zwei Jahrtausende Menschen ermutigt, sich nicht durch die leidvolle Realität einschüchtern zu lassen. Sie bergen die Hoffnung, dass es Trost gibt angesichts von Leid. Dass die Sanftmütigen nicht die Verlierer sind gegenüber den Leistungsstarken. Dass es Sinn macht, barmherzig zu sein. Dass die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden nicht lächerlich ist, sondern eine Utopie, die den Blick auf das Leben und Wertigkeiten verändert. Wer es wagt, anders zu handeln als es die Gesetze der Welt vermeintlich vorgeben, baut mit am Haus des Lebens, das über diese Zeit und Welt hinausgeht.

 

Frage: Was bedeutet Glaube für Sie persönlich?

Margot Käßmann: Glaube ist eine lebendige, mutige Zuversicht auf Gottes Gnade. Es geht nicht um unsere richtigen Gedanken und auch nicht um unser vermeintlich christliches Handeln. Es geht um die Zuversicht, auf Gott zu vertrauen. Ich glaube, wir Menschen sind Haushalterinnen und Haushalter Gottes. Wir sind dafür verantwortlich, uns hier und jetzt nach bestem Wissen und Können einzubringen.

 

Das Interview führte Margret Nußbaum

 

Das Buch zum Thema:

Margot Käßmann: Im Zweifel glauben. Worauf wir uns verlassen können. 208 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 19,99 Euro, Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2015

Veröffentlicht im Gemeindebrief Nr. 1/16 der Evangelischen Kirchengemeinde Baesweiler

 

Feiern mit Oma und Opa

 

  1. oder 70. Geburtstag von Oma oder Opa feiern: Da sind Enkelkinder gerne mit dabei. Wie schön, wenn sie ein Gedicht aufsagen oder sogar eine kleine Rede halten…

 

1

Der Opa hat Geburtstag heute,
es gratulieren viele Leute.
Doch ich, der kleine Hosenmatz,
bin sein allergrößter Schatz.

 

2

Ein Fest für Oma, ei, wie fein!
Ich wünsch dir ganz viel Sonnenschein!
Ich wünsch dir lauter nette Gäste.
Denn du, liebe Oma, bist die Beste!

 

3

Eins, zwei, drei,
vier, fünf, sechs, sieben!
Wo ist nur die Zeit geblieben?
Oma wird 70 – ei der Daus!
Sieht aber viel, viel jünger aus.

 

4

Sag mal, ist es wirklich wahr?
Wirst du heute 70 Jahr?
Stellt euch vor, es ist wahr:
Opa wird heut 70 Jahr!
Drum wünschen wir ihm Glück
und vom Kuchen das größte Stück.

 

5

Mein Geschenk ist nur ganz klein.
Ich bringe dir ein Blümelein.
Ich singe nun ein Lied für dich.
Ich weiß, darüber freust du dich!

 

6

Lieber Opa!

 

Ich möchte dir eine Rede schenken,
und daran sollst du immer denken.
Du bist der tollste Opa weit und breit,
immer zu Spiel und Spaß bereit.
Du backst mit mir Plätzchen und Kuchen,
spielst mit mir Verstecken und Suchen.
Du baust mit mir Boote und Drachen,
und noch viele andere Sachen.
Du sagst, du magst am liebsten mich.
Ach, Opa, was wär ich ohne dich?!

 

Margret Nußbaum

Veröffentlicht im Internetauftritt der Elternzeitschrift Leben & erziehen: www.leben-und-erziehen.de

 

Heilige Anna: die Großmutter Jesu

Die Heilige Anna ist die Mutter der Gottesmutter Maria und die Großmutter Jesu. Viele Kirchen im In- und Ausland sind nach ihr benannt. Ihr Gedenktag – und der ihres Ehemannes Joachim – ist der 26. Juli.

Der hebräische Name von Anna bedeutet „Jahwe hat sich erbarmt“. Er steht für Liebe, Gnade, Anmut. Das Neue Testament berichtet nichts über Anna und ihren Mann Joachim. Namentlich erwähnt werden die Großeltern Jesu zum ersten Mal im so genannten Protoevangelium des Jakobus, einer apokryphen Schrift. Es erzählt folgende Legende: Anna und Joachim sehnen sich viele Jahre vergeblich nach einem Kind. Immer wieder bitten sie Gott darum. Nach langen Jahren endlosen Wartens erscheint Joachim in der Wüste ein Engel und verkündet ihm die Geburt einer Tochter. Auch seine Ehefrau Anna erlebt eine Engelerscheinung und die Verheißung eines von Gott auserwählten Kindes. Anna und Joachim sprechen über die gemeinsame Vision. Nach neun Monaten kommt ein Mädchen zur Welt. Die Eltern nennen es Maria. Im Alter von drei Jahren bringen sie die Tochter zum Tempel in Jerusalem. An diesen Tag erinnert noch heute das Fest „Mariä Opferung“ am 21. November. Auffällig sind Parallelen zu anderen biblischen Erzählungen, die von der Geburt eines für die Heilsgeschichte bedeutsamen Nachkommens berichten. Wie Abraham und Sara durften sich auch Anna und Joachim im hohen Alter über ein Kind freuen. Und wie Maria ein Engel erschien, um ihr die Geburt eines Sohnes zu verkünden, so erschien Anna und Joachim ebenfalls ein Engel mit der guten Nachricht über die baldige Geburt einer von Gott auserwählten Tochter.

 

Erste Anna-Kirche in Jerusalem

Anna und Joachim sollen in der Nähe des Bethesda-Teiches in Jerusalem gewohnt haben. Dort wurde im Jahr 1142 die St. Anna-Kirche errichtet. Sie ist die älteste erhaltene Kreuzfahrerkirche. Als Sultan Saladin Jerusalem 50 Jahre später eroberte, machte er aus ihr eine Koranschule. Davon zeugt noch heute  eine arabische Inschrift über dem Hauptportal. Erst im Jahr 1856 gelangte das Gebäude wieder in christlichen Besitz. Es war ein Geschenk des damaligen Sultans an Napoleon III. – als Dank für dessen Unterstützung beim Krimkrieg. Nach umfassenden Restaurierungsarbeiten übernahmen die „Weißen Väter“, ein katholischer Orden, die St. Anna-Kirche. Sie zählt zu den schönsten noch erhaltenen romanischen Kirchen in ganz Jerusalem.

 

Bilder von „Anna Selbdritt“

Im Jahr 1481 ließ Papst Sixtus IV. den Gedenktag der Anna in den römischen Kalender aufnehmen. Und 1584 legte Papst Gregor XIII. ihren Festtag auf den 26. Juli. In dieser Zeit erreichte die Verehrung der Heiligen Anna ihren Höhepunkt. Ihr zu Ehren wurden Kirchen und Kapellen gebaut. Da Anna an einem Dienstag gestorben sein soll, wird an diesem Tag besonders an sie gedacht – vor allem an den neun Dienstagen vor Ostern. Im Rahmen des Annenkults entstanden zahlreiche Bruderschaften, die den Namen der Heiligen trugen. Sie bildeten sich aus Laienbewegungen. Die Mitglieder hielten eigene Andachten, veranstalteten Wallfahrten und Prozessionen. Zahlreiche Legenden und Wundererzählungen, aber auch Bilder, stammen aus dieser Zeit, etwa die im deutsch-niederländischen Raum beliebten Darstellungen der Anna Selbdritt. Dieser Ausdruck bedeutet „zu dritt“ oder „Teil einer Dreiergruppe“. In der christlichen Ikonographie ist die Heilige Anna nämlich oft mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind dargestellt worden. Besonders bekannt ist ein Gemälde von Leonardo da Vinci aus dem 16. Jahrhundert. Die Darstellungen von Großmutter Anna, Mutter Maria und dem Jesuskind waren seit dem 16. Jahrhundert fester Bestandteil der Volksfrömmigkeit.

Zuweilen wurde auch Emerentia, die Mutter Annas, mit aufs Bild genommen – als „Emerentia selbviert“. Eine dieser seltenen Figurengruppen ist im Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover zu bestaunen. Sie stammt aus dem Kloster Isenhagen.

 

Anna-Kirmes und –oktav in Düren

Bekannt ist die Verehrung der Heiligen Anna besonders in Düren im Rheinland. Im Jahr 1501 hatte der Steinmetz Leonhard aus Kornelimünster, der in der Stiftskirche St. Stephan in Mainz arbeitete, die darin aufbewahrte Kopf-Reliquie – ein kreisrundes, handtellergroßes Stück einer menschlichen Hirnschale – entwendet, nach Düren gebracht und den dort ansässigen Franziskaner-Mönchen überlassen. Abgesandte aus Mainz versuchten daraufhin, die Reliquie wieder in ihren Besitz zu bringen. Der Erfolg war allerdings nicht von Dauer. Die Männer mussten sich dem Druck der Dürener Landfrauen im Gasthaus „Zum Goldenen Stör“ fügen und die Reliquie wieder herausrücken. Es folgte ein Jahre langer Rechtsstreit zwischen Mainz und Düren. Papst Julius II. entschied im März 1506, dass die  Annareliquie in Düren bleiben sollte. Seit dieser Zeit kamen Jahr für Jahr Pilger in die Stadt. Im Laufe der Zeit entwickelten sich daraus ein Markt und später die Annakirmes – ein neuntägiges Volksfest, das Jahr für Jahr mehr als eine Million Besucher anzieht. Zeitgleich veranstaltet die Dürener Annakirche auch heute noch die Annaoktav. Pilger kommen von weither, um die Annareliquie zu sehen, die in Form einer Büste gezeigt wird. Anna ist Patronin der Mütter, Hausangestellten, aber auch einiger Handwerksberufe und der Bergleute. Daran erinnern Ortsbezeichnungen wie das sächsische Annaberg-Buchholz mit seiner imposanten Anna-Kirche.

 

Anna und Martin Luther

Die Heilige Anna soll vor Gewitter schützen. Daran erinnert eine Episode aus dem Leben Martin Luthers. Am 2. Juli 1505 geriet der junge Martin in ein schweres Gewitter. In seiner Not bat er die Heilige Anna um Rettung und versprach als Gegenleistung, Mönch zu werden. Er hielt Wort und zog wenige Tage später in das Erfurter Kloster der Augustiner ein.

 

Immaculata Conceptio

Am 8. Dezember 1854 verkündete Papst Pius IX. das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis nicht nur des Gottessohnes Jesus durch Maria, sondern auch der Maria durch Anna. Die Lehre von der „Immaculata Conceptio“ ist seitdem fester Glaubenslehrsatz der Katholischen Kirche.

 

Margret Nußbaum

Veröffentlicht im Internetportal www.katholisch.de

Vorlesegeschichte für Kinder

Wer klopft an?

Der kleine Löwe mit dem blauen Hut wohnt – so ein Graus! – allein in seinem Löwenhaus. Er brüllt ganz laut. Das macht ihm Mut, dem kleinen Löwen mit dem blauen Hut. „Poch-poch-poch!“ Der Löwe fürchtet sich: „Wer klopft an mein Fenster? Sind es Gespenster?“ Vorsichtig schaut er hinaus. Dort steht der Hase mit der roten Nase. Der Löwe freut sich: „Komm herein! Dann bin ich nicht mehr so allein!“ Und die beiden hüpfen – ei, wie fein! – von einem auf das andere Bein. Aber Psst! Was ist das? „Huhuhu!“ heult der Wind und rüttelt an der Tür. Das Häschen fürchtet sich: „Sind es Geister-Eulen, die vor der Haustür heulen?“ Nein, draußen steht die Kuh mit dem grünen Schuh. Der Löwe freut sich: „Komm herein! Dann sind wir nicht mehr so allein.“ Löwe, Hase und Kuh tanzen und singen Schubidu. „Bumm-bumm-bumm!“ Wer klopft ans Fenster? Sind es am Ende doch Gespenster? Oder Geister-Eulen, die vor der Haustür heulen? Nein, es ist die kleine Maus. Sie möchte auch ins Löwenhaus. Der Löwe freut sich: „Komm herein! Dann sind wir nicht mehr so allein.“ Der Hase mit der roten Nase meint: „Wie nett! Zu viert sind wir ein Quartett.“ Und die Kuh mit dem grünen Schuh ruft: „Wir vier bleiben immer zusammen im Löwenhaus!“ – Und das Märchen ist nun aus.

Erzählt von Margret Nußbaum

Veröffentlicht in: Leben & erziehen, Ausgabe 5/2015

Der böse Wolf: zu grausam?

 

200 Jahre alt werden die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm im Jahr 2013. Sind sie noch zeitgemäß – oder gar zu grausam für die Kleinen?

Der Wolf frisst die Großmutter, die Hexe wird im Ofen verbrannt, eine Frau muss mit glühend heißen Schuhen tanzen, bis sie tot umfällt: Keine Szenen in einem Horrorfilm, sondern in den beliebtesten Kindermärchen der Brüder Grimm: Rotkäppchen, Hänsel und Gretel, Schneewittchen. Manche Eltern lesen sie  nicht mehr vor. Sie erscheinen ihnen zu grausam. Dass Märchen Kindern alles andere als Angst machen, hat der berühmte Kinderpsychologe Bruno Bettelheim in seinem Klassiker „Kinder brauchen Märchen“ bereits in den 1970-er Jahren eindrucksvoll beschrieben. Seine Erkenntnisse decken sich mit denen der modernen Entwicklungspsychologie: Wolf, Hexe und andere dunkle Gestalten im Märchen symbolisieren die Ängste, die kleine Kinder noch nicht in Worte fassen können, etwa Wut und Eifersucht. Die Kleinen finden im Märchen ein Ventil, diese Ängste zu verarbeiten. Die klare Differenzierung von „gut“ und „böse“ ist für sie sehr wichtig. Sie hilft ihnen wie ein Navi, sich in der immer komplexer werdenden Welt zurechtzufinden.

 

Das Gute siegt über das Böse

Die Bilder in den Märchen entsprechen der Weltsicht von Kindern zwischen zwei und sieben Jahren. Nicht umsonst nennen Entwicklungspsychologen diese Zeit „magisches Alter“. Es sind die Jahre des Zauberhaften, aber auch der Ängste und Kämpfe mit Wölfen, Hexen und anderen Ungeheuern. Ein Kind wundert sich also nicht, wenn Tiere im Märchen reden, die kleinen Helden auf ihrer Reise begleiten und ihnen aus der Patsche helfen. Oder wenn ein Mensch in einen Stein verwandelt wird – und sich nach der Rettung durch den kleinen Helden – wieder in einen Menschen zurück verwandelt. Typisch für Volksmärchen: Das Gute siegt immer über das Böse. Doch auch das Böse steht nicht im luftleeren Raum. Es hilft dem kleinen Helden, seinen Weg zu finden. Kinder brauchen eine solche überschaubare Ordnung. Sie erleben die Welt nämlich schwarz-weiß. Es gibt gute Feen und böse Hexen, Könige und Diener, Gold und Pech. Mit Hilfe der Märchenhelden lernen sie: „Auch wenn es mal schwierig wird, kannst du deine Ängste überwinden und Herausforderungen bewältigen. Und sei gewiss: Es gibt immer jemandem, der dir dabei hilft.“ Dies nimmt Kindern Angst, lässt sie auf ihre eigene Kraft vertrauen. Darüber hinaus bereichern Märchen den Wortschatz, beflügeln die Fantasie und wirken sich positiv auf die geistige und seelische Entwicklung eines Kindes aus. Sie sind, wie der Hirnforscher Professor Gerald Hüther sagt – Doping fürs Gehirn.

 

Welches Märchen für welches Alter?

Zu empfehlen für kleine Kinder sind vor allem die Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm. Denn sie gehören zur alten Erzähltradition und enthalten Lebensweisheiten, die über Jahrhunderte Bestand haben. Als Kunstmärchen werden erfundene, nicht überlieferte Geschichten bezeichnet, etwa „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ von Hans-Christian Andersen. Solche eignen sich erst für Kinder ab dem Schulalter. Erste Märchenerfahrungen sammeln Ein- bis Zweijährige mit lustigen Fingerspielen und Reimen. Ab drei Jahren folgen Kettengeschichten, zum Beispiel die vom dicken fetten Pfannkuchen. Erst mit etwa vier Jahren sind Kinder in der Lage, eine Weile still zu sitzen und sich auf ein Märchen einzulassen. Für Anfänger sollten es kurze Geschichten mit nur wenigen Personen sein, etwa „Der süße Brei“ oder „Die Sterntaler“. Danach folgen die beliebten Klassiker wie Rotkäppchen, Der Wolf und die sieben Geißlein, Hänsel und Gretel, Schneewittchen, Rumpelstilzchen, Frau Holle, Der Froschkönig, Dornröschen und Aschenputtel.

 

Wie sollen Märchen erzählt werden?

Die altertümlichen Redewendungen in den klassischen Märchen mögen nicht mehr in unsere Zeit passen. Aber Kinder lieben diese antiquierte Sprache – auch wenn ihr Verstand sie noch nicht voll erfassen kann. Darüber hinaus fördert sie die Vorstellungskraft und enthält vor allem für jüngere Kinder eine wichtige Botschaft: Was hier passiert, existiert nicht in der Wirklichkeit, sondern nur in der Märchenwelt. Neben der typischen Märchensprache sind auch Einleitung und Ende wichtig:  Anfangssätze wie „Es war einmal“ oder „In alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat“ und der Satz am Ende „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“ oder „Sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Ende.“

 

Margret Nußbaum

Veröffentlicht im Internetauftritt der Elternzeitschrift Leben & erziehen: www.leben-und-erziehen.de

 

Pitsch, Patsch, Pfützenmatsch!

Auch wenn’s regnet, macht Spielen im Freien Spaß. Schon die Kleinsten glucksen vor Vergnügen, wenn das Wasser beim Waten durch die Pfützen nur so spritzt. Pfiffige Ideen für kleine Pfützenspringer

 

Pfützenbrei

Erde und Wasser mit einem Stöckchen zu einer matschigen Pampe verrühren: Da sind die Kleinen in ihrem Element!

 

Lied: Wasser-Erde-Brei

(Melodie: Zeigt her eure Füße, zeigr her eure Schuh)

Kommt alle zur Pfütze, kommt alle herbei! Wir rühren die Erde mit Wasser zu Brei. Wir rühren, wir rühren, wir rühren eins, zwei, drei! Wir rühren, wir rühren, den Wasser-Erde-Brei!

 

Hinein in die Pfütze!

Mama und Kind waten und springen Hand in Hand durch die Pfütze:

Patsch, Pitsch, Patsch,
wir waten durch den Matsch!
Mitze, Matze, Mütze,
wir springen in die Pfütze!
Auf und nieder – immer wieder!
Es blubbert und spritzt ganz doll.
Das finden wir beide toll!

 

Pfützenreise

Gehen Sie mit Ihrem Kind im Regen spazieren und singen Sie dabei das folgende Lied. An der passenden Stelle springen Sie beide schnell in eine Pfütze.

(Melodie: Fuchs, du hast die Gans gestohlen)

Die Mama wollt spazieren gehn
mit ihrem Kindlein klein,
mit ihrem Kindlein klein.
Sie haben die Pfütze nicht gesehn
und traten pitsch-patsch rein!

 

Pfützenpatscher

Stampfen Sie mit Ihrem Kind in der Pfütze herum, dass es nur so spritzt!

Pitsch-Pitsch-Patsch,
patschen, das macht Spaß.
Wir patschen durch die Pfütze
und werden beide nass –
vom Stiefel bis zur Mütze.

 

Fische fangen

Fünf Baumblätter verwandeln sich in Fische und schwimmen munter in der Pfütze herum. Da kommt der große Fischräuber – das sind Sie. Ihr Kleines versucht nun, die Fische schnell heraus zu angeln, bevor Ihre Hände sie wegschnappen.

 

Fünf Zwerge

Fünf Eicheln mit Stielchen werden hintereinander in eine große Pfütze geworfen – und dann wieder herausgefischt.

Fünf Zwerge mit Mütze
springen in die Pfütze.
Der erste springt hinein.
Der zweite springt hinein.
Der dritte springt hinein.
Der vierte springt hinein.
Und der fünfte, ei wie fein,
springt munter hinterdrein.

Fünf Zwerge mit Mütze
wollen raus aus der Pfütze.
Fisch du nun den ersten raus,
dann den zweiten,
dann den dritten,
dann den vierten,
dann den fünften klitzeklein.
Ei, wie ist das Fischen fein!

 

Kastanien ausbuddeln

Vergraben Sie fünf Kastanien in einer matschigen Pfütze. Ihr Kind soll sie mit den Händen, mit einem Stöckchen oder einer Sandschaufel ausgraben.

 

Gummistiefel: Was Sie wissen sollten

 

Warten Sie mit dem Kauf der ersten Gummistiefel so lange, bis Ihr Kind sicher gehen kann. Denn die kleinen Füße haben darin nicht so einen guten Halt wie in festen Schuhen.

Gummistiefel fallen oft kleiner aus. Nehmen Sie Ihr Kind deshalb immer zum Anprobieren mit. Ein Anhaltspunkt: Vorne darf gut ein Finger breit zwischen der Fußspitze der Sohle und den Zehen Platz sein. Kinder mit schmalem Fuß brauchen oft eine  zusätzliche Einlegesohle.

Schnüffeln erlaubt! Denn manche Kindergummistiefel riechen schon im Laden penetrant nach Chemie. Am besten kaufen Sie ein Modell aus Naturkautschuk.

Wichtig sind breite Stulpen, die mit Zugband und Stopper gut fixiert werden können.

Für kaltes Matschwetter braucht Ihr Kind gefütterte Gummistiefel. Gut ist eine Mischung aus Plüsch und Wolle.

Ideal sind Gummistiefel-Kniestrümpfe mit tailliertem Knöchel. Sie rutschen im Stiefel nicht runter, und die dicke Sohle aus Frottee-Plüsch saugt den Schweiß gut auf.

 

Spielideen: Margret Nußbaum

Veröffentlicht im Internetauftritt der Elternzeitschrift Leben & erziehen: www.leben-und-erziehen.de

 

Was ist die Seele?

Seele: ein Wort aus dem alltäglichen Sprachgebrauch. Welche Vorstellungen existieren von ihr? Zu welchen Erkenntnissen ist die Wissenschaft gekommen? Und was macht sie stark?

„Die Seele ernährt sich von dem, worüber sie sich freut.“
Augustinus, Bischof und Kirchenlehrer

 

„Die Seele muss frisch, voll Zuversicht und über alles erhaben sein.“
Seneca, römischer Philosoph

 

„Die schönste Frucht der Gerechtigkeit ist Seelenfrieden.“
Epikur, griechischer Philosoph

 

„Die Augen des Menschen sind die Fenster der Seele.“
Hildegard von Bingen, Äbtissin, Mystikerin und Naturwissenschaftlerin

 

„Das Feuer in seiner Seele soll man nie ausgehen lassen, sondern schüren.“
Vincent van Gogh, holländischer Maler

 

Von Margret Nußbaum

 

Psyche, eine sterbliche Königstochter im antiken Märchen „Amor und Psyche“ des römischen Schriftstellers Apuleius, erzählt von ihrer Liebe zum Gott Amor, der für sie unsichtbar bleibt. Die Neugier des Mädchens hat fatale Folgen. Denn als diese die Gestalt Amors sehen möchte, zieht ihr Geliebter sich zurück. Psyche kämpft um ihn, nimmt Gefahren auf sich und wagt sogar den Abstieg in die Unterwelt. Belohnt wird sie mit der Liebe Amors und dem Geschenk der Unsterblichkeit. Psyche, das griechische Wort für Seele, kommt von „psychein“ – übersetzt hauchen, atmen. Im Lateinischen heißt die Seele „anima“ – Lufthauch, Lebenskraft. Durch den Lebensatem Gottes wird aus Adam ein lebendiges Wesen (Genesis 2,7). Das altgermanische Wort „sele“ leitet sich ab von „se“ – die zum See Gehörende. Nach alter Vorstellung wohnten die Seelen der Ungeborenen und der Toten im Wasser.

 

Seele und Gefühle

Mit dem Wort Seele sind oft Gefühle verbunden. Viele Menschen leiden unter der Seelenlosigkeit der Gesellschaft. Als seelenlos wird bezeichnet, wer keine Gefühlsregung zeigt und eiskalt nur seinen eigenen Vorteil sucht. Bei einer „Seele von Mensch“ jedoch wird einem warm ums Herz, man fühlt sich wohl in der Gegenwart eines solchen Menschen. Und „die gute Seele des Hauses“ verbreitet eine gemütliche, wohltuende Atmosphäre. Zuweilen suchen wir Seelenverwandte – Menschen, mit denen wir Wertvorstellungen teilen und die wir mögen.  Andererseits gibt es Zeiten, in denen Menschen sich „mutterseelenallein“ fühlen – verlassen von Gott und der Welt. Wer die Seele baumeln lässt, spannt aus, erholt sich, genießt Freizeit oder Urlaub.

 

Der Mythos vom Seelenwagen

Bereits 400 Jahre vor Christus glaubte der antike griechische Philosoph Platon an die Unsterblichkeit der Seele. Diese existierte nach seiner Vorstellung lange, bevor sie sich im Körper des Menschen niederließ. Aus platonischer Sicht hatte die Seele drei Teile: den begehrenden Teil mit Sitz im Unterleib, den mutigen in der Brust und den vernunftbegabten im Gehirn. Erstrebenswert  war die Vorherrschaft der Vernunft. Nur diesen Seelenanteil hielt Platon für unsterblich. Im Mythos vom Seelenwagen vergleicht er die Seele mit göttlichen Wagenlenkern, von denen jeder ein Gespann mit zwei geflügelten Pferden führt. Die Götter besaßen zwei gute Pferde, die menschlichen Seelen je ein sanftes und ein ungestümes Pferd. Oft genug ging das wilde durch, so dass die Flügel beschädigt wurden. Dies hatte fatale Folgen. Denn das menschliche Gespann konnte nur mit intaktem Gefieder in den Himmel aufsteigen. Ansonsten fiel die unsterbliche Seele auf die Erde und nahm einen sterblichen Körper an. Bewährte sich die gefallene Seele jedoch, konnte das Gefieder nachwachsen. Voraussetzung dafür war die Hinwendung zum Schönen und zur Philosophie. Die Vernunft als Lenker des Geschicks hatte die Aufgabe, die beiden Pferde zu bändigen. Das ungestüme Pferd stand für den begehrenden, lustbetonten, das sanfte für den mutigen Seelenanteil. Gelang es der Vernunft, die triebhafte Unersättlichkeit des einen Pferdes im Zaum zu halten und die positiven Eigenschaften des anderen – Sanftmut, Respekt und Menschenliebe – zu verstärken, wuchs das Gefieder nach. Der Weg zum Himmel stand wieder offen. Ein Seelenbild aus der hebräischen Bibel, die kein eigenes Wort für Seele hat, ist „Näfäsch“. Es hat zwei Bedeutungen, nämlich Seele und Kehle, durch die „ruach“, der Atem, strömt. Das Wort Näfäsch meint darüber hinaus aber auch Geist und Lebensenergie, die Gott dem Menschen einhaucht.

 

Die Seele ist unsterblich

Die christliche Vorstellung wurde stark von der Philosophie Platons beeinflusst. Christen glaubten immer schon, dass jeder Mensch eine unsterbliche Seele besitzt. Dies wurde im Jahr 1513 auf dem Fünften Laterankonzil als verbindliche Glaubenswahrheit – als Dogma – festgeschrieben. „Die Seele ist Wesensform des Leibes, der Leib die Ausdrucksgestalt der Seele“, sagt Walter Kardinal Kasper, emeritierter Kurienkardinal. Christen glauben nicht nur an ein Weiterleben der Seele, sondern an die Auferstehung des Fleisches. Jesus Christus ist den Jüngern nach seinem Tod erschienen. Sein verwandelter Leib trug die Wundmale. Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es, dass „jede Geistseele unmittelbar von Gott geschaffen und unsterblich ist. Sie geht nicht zugrunde, wenn sie sich im Tod vom Leibe trennt, und sie wird sich bei der Auferstehung von neuem mit dem Leib vereinen.“ Mit Fragen, was und wo die Seele ist, beschäftigen sich auch Naturwissenschaftler wie der Hirnforscher Prof. Dr. Gerhard Roth von der Universität Bremen. „Aus Sicht der Hirnforschung kann es keinen Zweifel mehr daran geben, dass psychische Prozesse genauso wie solche der Wahrnehmung, Kognition und Motorik aufs Engste mit der Aktivität von Nervenzellen in unterschiedlichen Regionen des Gehirns vorhanden sind“, sagt er. „Es kann keinen vernünftigen Zweifel daran geben, dass das Gehirn die Seele hervorbringt, und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen des neuronalen Geschehens. Geblieben aber sind die Fragen nach der Natur des Geistig-Psychischen und nach seiner Wirkungsweise durch Prozesse im Gehirn.“

 

Blitzschnell ins Jenseits

Viele Menschen, die einen Herzstillstand erlitten haben, berichten, dass sie sich in einem Tunnel auf ein unbeschreiblich helles Licht zubewegt haben. Diese Nahtoderfahrungen haben den Physiker Professor Dr. Markolf H. Niemz von der Universität Heidelberg zu der These inspiriert, dass die Seele eines Menschen, wenn er stirbt, auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird, damit sie ins Jenseits übergehen kann. Dass Grenzerfahrungen wie diese sich durchaus im Einklang mit den Erkenntnissen der modernen Physik befinden, beschreibt Niemz mit Hilfe des so genannten Searchlight-Effekts (Scheinwerfer-Effekt): „Bewegt sich der Betrachter mit Lichtgeschwindigkeit, treffen die Lichtstrahlen gebündelt auf ihn ein. Besonders helles Licht strahlt aus der Richtung, in die er sich bewegt. Regionen, von denen er sich entfernt, verschwinden dagegen in einem dunklen Tunnel.“ Ein ähnlicher Effekt lässt sich bei einer nächtlichen Autofahrt im Winter durch Schneegestöber beobachten. Neben Markolf Niemz gibt es eine Reihe anderer Wissenschaftler, die an die Existenz von Körper und Seele glauben, etwa der österreichische Quantenphysiker Professor Anton Zeilinger von der Universität Wien. Er sagt: „Es gibt eine geistige Welt außerhalb der materiellen Existenz.“

 

Schutz für die Seele

Nach dem Weltbild des französischen Philosophen und Naturwissenschaftlers René Descartes im 17. Jahrhundert waren Körper und Geist voneinander unabhängig. Dies sieht die Wissenschaft heute anders. Studien weisen schon seit langem auf einen engen Zusammenhang zwischen Körper, Geist und Seele hin. Manche Menschen bewältigen Stress und Rückschläge besser als andere. Sie verfügen über eine stabilere seelische Widerstandskraft. Der Fachbegriff dafür ist Resilienz. „Wörtlich bedeutet er Elastizität“, sagt Monika Gruhl, Coach und Resilienz-Trainerin. „Sie lässt Menschen wie ein Gummiband in ihren normalen Zustand zurückschnellen oder sich wie ein Stehaufmännchen immer wieder aufrichten – ganz gleich, was ihnen widerfährt.“ Die Grundlagen für seelische Gesundheit werden in der Kindheit gelegt. Wertschätzung und Ermutigung machen stark. Doch auch Erwachsene können Resilienz erwerben. Die Psychologie kennt sieben Persönlichkeitsmerkmale die dafür entscheidend sind: Akzeptanz – annehmen, was geschieht; Optimismus – darauf vertrauen, dass es besser wird; Selbstwirksamkeit – davon überzeugt sein, Einfluss nehmen zu können; Verantwortung – die eigene Verantwortung und die anderer sehen und unterscheiden; Netzwerkorientierung – andere um Hilfe  bitten; Lösungsorientierung – aktiv werden; Zukunftsorientierung – die Zukunft planen, dabei Chancen und Risiken abwägen.

„Seelische Widerstandskraft lässt sich einüben, denn es handelt sich bei genauer Betrachtung um ganz normale Dinge wie mutig sein, Geduld haben, die richtigen Dinge zur richtigen Zeit tun“, sagt die Psychotherapeutin Dr. Luise Reddemann.

Sich mit den Brüchen in der eigenen Biographie versöhnen und verständnisvoll auf andere reagieren: Eine solche Geisteshaltung entspreche dem Gebot der Selbstliebe und Nächstenliebe, meint Monika Gruhl. Dass sich der Glaube und die Identifikation mit einer Religion positiv aufs Seelenleben auswirken, ist wissenschaftlich längst erwiesen. „Religion wird in der Regel nicht allein praktiziert, sondern zusammen mit Seelenverwandte, die einander unterstützen, Bedürftigen helfen und Freundschaft wie Gesellschaft bieten“, sagt Sonja Lyubomirsky, Professorin für Psychologie an der Universität von Kalifornien. „Solche Menschen haben ein größeres soziales Netzwerk und damit mehr Freunde und Bekannte, auf die sie sich verlassen können. Sie fühlen sich anerkannt, respektiert und geborgen. Dies festigt die eigene Identität.“

 

Stress abbauen

Wichtig ist, vor allem in Krisenzeiten gut für den Körper zu sorgen. Wer sich körperlich schlecht fühlt, ist weniger kreativ, belastbar, geduldig und mutig. Eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, Schlaf und ein erfüllendes Hobby helfen, Stress abzubauen. Bewährt haben sich selbstbejahende Sätze – so genannte Affirmationen. Mit ihrer Hilfe werden negative in positive Gedanken umgewandelt. Beispiele: „Was auch kommt, es geht vorbei.“ Oder: „Ich bin Gestalter meines Lebens und übernehme für mich selbst die Verantwortung.“ Auch Psalmen können hilfreich sein, etwa: „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“ (Psalm 18,30) oder: „Du hältst mich an meiner Rechten“ (Psalm 73,23). Wichtig in Krisenzeiten sind Rituale, die dem Alltag nicht nur Struktur geben, sondern inneren Halt und Geborgenheit schenken: nach dem Arbeitstag noch einen Abendspaziergang machen, in aller Ruhe eine Tasse Tee genießen, einem Hobby nachgehen – Malen, Chorgesang, Gedichte schreiben, einen Verein ehrenamtlich unterstützen. Oft hilft es auch darüber nachzudenken, welche Bedeutung eine Situation in zwei, fünf oder zehn Jahren haben wird. Für mehr innere Ruhe sorgen darüber hinaus regelmäßige Entspannungsübungen – Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Yoga, Qi-Gong und Meditation.

 

Ein Herz und eine Seele

Um ein herzliches Miteinander geht es bei der Redewendung „Ein Herz und eine Seele sein“. Sie stammt aus der Apostelgeschichte. Dort heißt es: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32). Offenbar gab es unter den ersten Christen eine wahre, unverfälschte Seelenverwandtschaft.

 

Mythen von der Seele

In vielen Sagen und Mythen haben die Seelen der Ungeborenen und der Toten eine enge Verbindung zu Seen, Flüssen oder dem Meer.

Auch der Klapperstorch, der die Babys bringt, gehört in diese Kategorie. Im Märchen der Brüder Grimm „Der Tod und der Gänsehirt“ befindet sich das Reich des Todes am anderen Ufer des Flusses. In der griechischen Mythologie setzt der Fährmann Charon die Seelen in einem Boot in das Totenreich über.

 

Literatur

  • Monika Gruhl: Die Strategie der Stehauf-Menschen. Verlag Herder, Freiburg 2009
  • Walter Kasper / George Augustin (Hrsg.): Hoffnung auf das ewige Leben. Verlag Herder, Freiburg 2015
  • Sonja Lyubomirsky: Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Campus Verlag. Frankfurt 2013
  • Markolf H. Niemz: Lucy im Licht. Dem Jenseits auf der Spur. Droemer Verlag, München 2007
  • Luise Reddemann: Eine Reise von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt. Verlag Herder, Freiburg 2007
  • Gerhard Roth / Nicole Strüber: Wie das Gehirn die Seele macht. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2014

 

Veröffentlicht in: „Die Mitarbeiterin“ 5/2015